Abstract |
Die Beziehungen des niederen Adels und deren Bedeutung für den Ausbau der Herrschaft und des politischen Aufstiegs ministerialer und ritteradeliger Familien stehen noch vielfach im Schatten der auf die reichsfürstlichen Häuser fokussierten Forschung. Dabei bildete auch diese soziale Schicht weitreichende Netzwerke – im Sinne vielfältiger Beziehungen – mit Standesgenossen sowie mit geistlichen Vertretern, Bürgerlichen und Reichsfürstinnen und -fürsten aus. Verwandtschaftliche Verbindungen, freundschaftliche Bande oder gemeinsame politische Interessensbeziehungen von Akteurinnen und Akteuren bildeten dabei den sprichwörtlichen Brückenkopf, um die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, sowie um Einflussnahme und Machtposition auszudehnen und folglich im Gefüge der sozialen Eliten aufzusteigen.
Anhand der Adelsfamilie Starkenberg aus dem Raum der Grafschaft Tirol soll daher im Zuge der vorliegenden Untersuchung die Bedeutung des sozialen Netzwerks betrachtet werden. Diese ursprünglich unfreien Ministerialen schaffen es, sich im 14. Jahrhundert als eine der mächtigsten Adelsfamilien im mittleren Alpenraum zu etablieren. Bei der Übergabe Tirols an das Haus Habsburg im Jahr 1363 siegelte ein Starkenberger als landesfürstlicher Rat die berühmte Übergabeurkunde Herzogin Margaretes mit. Mit Sigmund von Starkenberg wurde 1396 ein Familienvertreter zum Burggrafen auf Schloss Tirol. Am 1. März 1417 wiederum trat der zweite Sohn Sigmunds, Wilhelm von Starkenberg, in den Dienst des römisch-deutschen Königs Sigismund von Luxemburg. Den absoluten Zenit erreichte das Landadelsgeschlecht am 16. Juli 1423, als der König die Grafschaft Tirol von Herzog Friedrich IV. von Österreich nahm und den Starkenberg ihre Lehen samt den Gerichten Imst und Pfunds als Reichslehen verlieh.
Ihren Aufstieg verdanken die Starkenberg nicht zuletzt ihrem ausgezeichneten sozialen Netzwerk aus Freunden und Verwandten. Mittels der methodischen Vorgehensweise der sozialen Netzwerkanalyse samt den Möglichkeiten der Digital Humanities und des Heiderschen Balanceprinzips werden daher im Zuge der Untersuchung Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen der niederadeligen Familie rekonstruiert und analysiert.[1] Hierbei soll gezeigt werden, dass der Verband aus Verwandten und Freunden grundlegend zum Ausbau des eigenen Einflusses und zur Festigung der gemeinschaftlichen Machtbasis beigetragen hat. Auch die Annäherung an den Fürsten, im Sinn einer Überbrückung des schwierigen „Weg[es] zum Ohr des Herrschers“[2] wurde über dieses weitgesponnene Geflecht aus Beziehungen überwunden. Fragen nach den Möglichkeiten dieser Beziehungen, nach deren Stellenwert für die Zeitgenossinnen und -genossen und dem Wandel dieser Prinzipien über den avisierten Zeitraum von rund drei Jahrhunderten sollen hier ebenso beantwortet werden wie die Frage nach den politischen Verbindlichkeiten, die mit diesen Beziehungen oftmals einhergingen. Die Dissertation setzt sich entsprechend zum Ziel nicht nur neue Erkenntnisse zum Niederadel des deutschen Südwestens zu erbringen, sondern auch der Frage zur Bedeutung des Networkings für den Machtausbau und den Einfluss auf politische Prozesse nachspüren.
[1] Vgl. dazu: Jansen, Dorothea: Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele, Opladen 22003; Jullien, Eva: Netzwerkanalyse in der Mediävistik. Probleme und Perspektiven im Umgang mit mittelalterlichen Quellen, in: VSWG. Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 100 (2013), Heft 2, 135–153. Sowie: Manhart, Klaus: Theorienreduktion in den Sozialwissenschaften. Eine Fallstudie am Beispiel der Balancetheorien, in: Journal for General Philosophy of Science / Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, 29 (1998), Heft 2, 301–326. Zur Anwendung für die Beziehungen im Adels siehe: Gramsch, Robert: Das Reich als Netzwerk der Fürsten. Politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225–1235 (Mittelalter-Forschungen 40), Stuttgart 2013.
[2] Althoff, Gerd: Spielregeln der Politik im Mittelalter, Darmstadt 2014, 185. |